Zwiegespräche
Haben Sie sich entschieden, als Paar wieder mehr oder besser miteinander zu sprechen? Dann können Ihnen die Zwiegespräche hilfreich sein.
Das Wichtigste zuerst: Zwiegespräche wirken!
Bessere Wahrnehmung
Sie fördern eine bessere Wahrnehmung von sich selbst. Das wiederum wirkt sich positiv auf das Selbstbewusstsein aus.
Einfühlung und Bindung
Sie helfen dabei, den / die Partner:in besser wahrzunehmen, sie stärken die Einfühlung in und die Bindung an den anderen / die andere.
Offenheit
Offenheit sich selbst und dem / der anderen gegenüber stärkt die Immunabwehr. Sie gewinnen mehr innere Freiheit, Gelassenheit und Flexibilität.
Bevor Sie einsteigen, erhalten Sie ein paar kurze Informationen, auf wen diese Art und Weise, als Paar miteinander zu sprechen, zurückgeht. Dazu eine kurze Einführung in eine sogenannte Grundordnung. Das sind Regeln, die bei der Durchführung von Zwiegesprächen wichtig sind zu beachten, damit die Gespräche gelingen können.
„Erfinder“ der Zwiegespräche
Michael Lukas Moeller hat die Zwiegespräche als Selbsthilfemethode entwickelt, um Paaren dabei zu helfen, sich dem / der Partner:in wieder einfühlbar zu machen. Damit ist gemeint, in Anwesenheit der Partnerin / des Partners so von sich zu sprechen, dass die / der andere wieder besser verstehen kann, was Sie beschäftigt, was Sie denken, fühlen, empfinden. Das scheint auf den ersten Blick ganz einfach zu sein. Ist es aber nicht.
Kolonialisieren
Wichtig ist im Ansatz von Michael Lukas Moeller, dass Paare sich nicht „kolonialisieren“, das heisst, sich nicht ungefragt und ohne Erlaubnis auf das Terrain des / der anderen begeben. Das passiert zum Beispiel, wenn einer / eine von beiden sagt: „Ich weiß ohnehin, was du sagen willst“ oder „Du bist doch immer so zart besaitet, ich kenne dich doch“. Das empfindet die / der andere oft als unberechtigten Übergriff, weil niemand, auch nicht die / der Partner:in, wissen kann, was die / der andere denkt, fühlt oder meint. Solche Übergriffe werden häufig verletzend erlebt mit der Folge, dass der / die andere sich wehrt („Das stimmt doch gar nicht“) und oft zum Gegenangriff übergeht („Du bist doch selbst eine Mimose“).
Um solche Gespräche zu vermeiden, die für beide Seiten frustrierend sind und wenig Laune auf weitere Gespräche zu zweit machen, wollen die Zwiegespräche helfen, einen anderen Weg einzuschlagen. Deshalb gibt es eine sogenannte Grundordnung.
Grundordnung / Regeln
1 x pro Woche / 1,5 h
Warum jede Woche?
• Um den roten Faden nicht zu verlieren,
• Um die Intensität der Auseinandersetzung zu erhalten und bei längeren Abständen nicht jedes Mal wieder von vorne beginnen zu müssen,
• Um die Gespräche in die Alltagsplanung mit aufzunehmen, die in der Regel wöchentlich gemacht wird.
Warum so lang?
• 90 Minuten ist durchschnittlich jede Person fähig sich zu konzentrieren.
• Keinesfalls länger, weil unterschwellige Erschöpfung zu Gereiztheit führt und die Auswahl aggressiv gefärbter Themen fördert.
• Keinesfalls kürzer, weil weniger Zeit zu sehr einengen könnte und die Chance verringert, sich wirklich einzulassen.
Ohne Störungen
Verzichten Sie auf alles, was Sie ablenken könnte. Kein eingeschaltetes Radio, kein Fernseher, kein Handy. Keine Türklingel, auf die Sie reagieren. Machen Sie die Zwiegespräche auch nicht während des Autofahrens, beim Essen oder Spazierengehen. Sie brauchen die volle Aufmerksamkeit für sich und Ihren / Ihre Partner:in, auch wenn es auf den ersten Blick so aussieht, dass Sie „nur“ miteinander reden wollen.
Schaffen Sie sich einen ungestörten Raum, in dem Sie sich einander gegenübersitzen. Haben Sie ein kleines Kind / kleine Kinder, beauftragen Sie einen Babysitter. Mit größeren Kindern können Sie eine Vereinbarung treffen, dass Sie in 90 Minuten wieder ansprechbar sind.
Regelmäßig
Warum nicht dann, wenn es gerade genug Zeit oder gerade Bedarf gibt, z.B. nach einem Krach?
• Spontane Zwiegespräche finden in der Regel nicht statt. Sie werden auch nicht spontan vereinbart.
• Nach einem Krach ist die Bereitschaft gering, sich zu öffnen und dem / der anderen wirklich offen zuzuhören. Wer sich angegriffen, verletzt, gekränkt fühlt, neigt viel schneller dazu, das Terrain des / der anderen zu betreten (s. Kolonialisierung).
• Zwiegespräche nur in Zeiten zu führen, die harmonisch oder friedlich sind, ist angenehmer, birgt aber die Gefahr, dass andere Themen, die schwieriger oder konfliktbeladen sind, eher ausgeklammert werden.
Reden und Zuhören gleich verteilt
Wenn Sie noch wenig Übung haben, miteinander zu sprechen, beginnen Sie mit 10 Minuten oder 15 Minuten Redezeit. Danach wechselt das Reden zum / zur anderen, der / die bis dahin zugehört hat und zwar ohne Rückfragen oder Kommentare zum bisher Gesagten. Nutzen Sie einen Wecker oder eine Eieruhr, die klingeln, wenn die Redezeit zu Ende ist.
Schweigen und schweigen lassen
Redezeit zu haben, heisst nicht, unbedingt auch etwas erzählen zu müssen. Schweigen kann hilfreich sein, die eigenen Gedanken und Gefühle zu sortieren oder innerlich zur Ruhe zu kommen. Auch wenn es nicht immer einfach auszuhalten ist, wenn eine Schweigepause entsteht. Nur Mut. Sie halten das durch.
eigene Entscheidung, was und wieviel sie / er sagen mag
Sie müssen nichts Bestimmtes sagen oder ein Thema anschneiden, von dem Sie meinen, dass es für die andere / den anderen wichtig wäre (Achtung: Kolonialisierungsgefahr!). Sie müssen auch nicht die volle Redezeit in Anspruch nehmen, können am Anfang schweigen und erstmal nachdenken oder auch gegen Ende Ihrer Redezeit schweigen, weil Sie für den Moment alles für Sie Wichtige gesagt haben.
Jede:r spricht über sich
Sprechen Sie über das, was Sie bewegt, wie Sie sich, den / die andere, die Beziehung, Ihr Leben erleben. Beim anderen zu sein, z.B. sich um sie / ihn zu sorgen, sich seinen / ihren Kopf zu zerbrechen, ihr / ihm helfen, ihn / sie aufbauen, ihn / sie angreifen, kränken usw. bedeutet: Sie gehen von sich weg.
Keine Ratschläge oder Verhaltensvorschriften
Wie zum Beispiel:
„Mach‘ das doch mal so …“
„Es wäre doch besser, wenn du …“
„Du solltest mal …“
Keine Kommentare
Beispiel:
„Du kannst das nicht so einseitig sehen …“
oder
„Das hast du sicher nicht so gemeint …“
Vermeiden von
Behauptungen und Wahrheiten: „Es ist doch so, dass …“
„ Jeder Mensch weiß, dass …“
Verallgemeinerungen
immer, niemals, überhaupt nicht, total, absolut usw.
Annahmen über den anderen / die andere:
„Du findest doch auch …“
Abwertungen
„Du kapierst doch überhaupt nicht …“
Gemeinsam Verantwortung für:
den Termin
Keiner von Ihnen beiden sollte in die Rolle eines Bittstellers / einer Bittstellerin geraten, dem / der anderen hinterherzurennen, um einen Termin zu vereinbaren.
die Dauer
Sorgen Sie beide dafür, dass Sie 90 Minuten uneingeschränkt Zeit haben und nicht zu spät kommen oder früher weg müssen.
die Regelmäßigkeit
Wenn ein Termin ausfällt, sollten Sie sofort einen Nachholtermin vereinbaren und ihn nicht einfach ausfallen lassen.
Der Termin für die Zwiegespräche sollte für beide Partner regelmäßig möglich und angenehm sein (keine Opferhandlung!)
Widerstand
Beispiel:
„Du kannst das nicht so einseitig sehen …“
oder
„Das hast du sicher nicht so gemeint …“
Widerstand
Sollten Sie trotz Beachtung der Regeln merken, dass es Störfeuer gibt, dann liegt das womöglich am Widerstand. Ihn können Sie an folgenden Anzeichen erkennen:
• Sie haben das Gefühl, es geht nicht mehr weiter.
• Sie haben Sorge, den anderen / die andere zu langweilen.
• Es kommt nicht viel bei den Zwiegesprächen heraus.
• Sie sagen sich noch vor Beginn: Wir führen doch schon (so etwas wie) Zwiegespräche
• Sie fühlen sich nach den Zwiegesprächen erschöpft.
• Jemand von Ihnen beiden verhält sich aggressiv, wenn es darum geht, ein Zwiegespräch zu führen.
• Sie sind begierig darauf sind, sich dem / der Partnerin zuzuwenden. Das dient oft dazu, eigene ungestillte Bedürfnisse ersatzweise über den / die Partner:in zu befriedigen. Wenn Sie Zwiegespräche eher für den / die Partner:in als für sich selbst führen, verbirgt sich dahinter oft der Wunsch, den anderen / die andere durch „Liebe“ zu Besserem zu bekehren.
• Es erscheint Ihnen mühselig und überflüssig, vom eigenen Erleben zu sprechen.
• Wenn Sie das Gefühl haben, der / die andere ist so anders als ich. Seine / Ihre Beziehung ist nicht meine.
Empfehlung
Wenn Sie bereits jetzt Bedenken haben, Zwiegespräche durchzuführen, bevor Sie damit begonnen haben, empfehlen wir Ihnen, in zwei oder drei Vorgesprächen über die größten denkbaren oder real erlebten Vorurteile zu sprechen. Was ist das größte Hindernis, das Sie sich vorstellen können? Was sehen Sie als die Vor- und Nachteile von Zwiegesprächen?
Führen Sie bereits Zwiegespräche und kommen Ihnen Zweifel oder Bedenken in die Quere, lassen Sie sich nicht beirren, Ihre Zwiegespräche regelmäßig weiterzuführen! Im Gegenteil: Sie können ein Zwiegespräch nutzen, um der / dem Partner:in von Ihren Zweifeln oder Bedenken zu erzählen.
Checkliste
Die folgende Checkliste kann Ihnen helfen, wichtige Punkte zu überprüfen, wenn Sie das Gefühl haben, dass die Zwiegespräche zu scheitern drohen:
Haben die Zwiegespräche regelmäßig einmal pro Woche stattgefunden?
Gingen die Zwiegespräche über 1,5 oder 2 Stunden?
Bleiben die Gespräche ungestört durch äußere Einflüsse?
Haben Sie gemeinsam den Termin vereinbart?
Hat sich jede und jeder von Ihnen beiden für die Zwiegespräche entschieden?
Konnte jede:r von Ihnen bei sich bleiben oder haben Sie bei sich gemerkt, wenn Sie sich mit Gedanken, Gefühlen, Meinungen des Partners / der Partnerin beschäftigt haben?
Ist die Sprechzeit für jede und jeden von Ihnen über mehrere Zwiegespräche hin gesehen ungefähr gleich verteilt?
Konnten Sie entdecken, was Ihre Zwiegespräche womöglich behindert hat? Dann können Sie direkt im nächsten Zwiegespräch besser darauf achten und versuchen, bestimmte Hindernisse aus dem Weg zu räumen.
Was ist der Unterschied zwischen Zwiegesprächen und Beziehungskisten?
Bei Zwiegesprächen machen Sie Ihrem / Ihrer Partner:in deutlich, wie Sie sich fühlen.
Bei Beziehungskisten machen Sie Ihrem / Ihrer Partner:in deutlich, wie er / sie sich fühlt.
Vieles gäbe es noch zu ergänzen, aber Sie können auch selbst nachlesen bei:
Michael Lukas Moeller: Die Wahrheit beginnt zu zweit. Das Paar im Gespräch. Rowohlt Verlag.
Jetzt geht’s los! Viel Erfolg!